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Arzneimittel: Jeder zweite Arzt verordnet Placebos


Scheintherapie
Jeder zweite Arzt verordnet Placebos

dpa, Verena Schmitt-Roschmann

Aktualisiert am 15.01.2018Lesedauer: 3 Min.
Mund nah mit weißer TabletteVergrößern des BildesArzneimittel oder Zuckerpille? Viele Ärzte verordnen Placebos. (Quelle: Thomas-Soellner/getty-images-bilder)
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Hauptsache, man glaubt, dass es hilft – das sagt der Volksmund über Arzneimittel. Könnte man Patienten also auch Zucker verabreichen, wenn sie nur an die Wirkung glauben? Tatsächlich gibt mehr als jeder zweite Arzt seinen Patienten bisweilen Placebos – auch die Bundesärztekammer empfiehlt diese Behandlungsmethode.

Etwa jeder zweite Arzt nutzt Placebos

In der Studie "Placebo in der Medizin" verweist Studienautor Thomas Jütte auf eine Umfrage unter Hausärzten in Bayern, in der sich 88 Prozent sich zum Einsatz von Placebos bekannten. In einer Schweizer Studie waren es 72 Prozent. Man könne davon ausgehen, dass "über 50 Prozent sie in der therapeutischen Praxis nutzen", sagte der Medizinhistoriker.

Vitaminpräparate statt Arzneimittel

Allerdings muss der Begriff "Placebo" in diesem Zusammenhang genauer definiert werden: Echte Placebos, die wie Medikamente aussehen, aber keinen Wirkstoff enthalten, kommen bislang nur in der Pharmaforschung zum Einsatz. Im Handel sind solche wirkstofflosen Scheinmedikamente nicht. Ärzte können Patienten also keine echten Placebos verschreiben. Wohl aber zum Beispiel Vitaminpillen oder homöopathische Mittel, die der Arzt selbst für wirkungslos hält oder die keine auf das Krankheitsbild zugeschnittene Arzneimittel enthalten. Einzelne Ärzte verbündeten sich auch mit dem örtlichen Apotheker, der dann auf Rezept Zuckerpillen abgebe. Mitunter würden auch Spritzen ohne Wirkstoff gesetzt oder Scheinakupunktur angewendet. Auch Scheinoperationen (Sham Surgery) gibt es laut der Studie.

Vermeintliche Täuschung kann dem Wohl des Patienten dienen

Was wie Täuschung aussieht, kann nach Jüttes Worten durchaus dem Wohl des Patienten dienen. So helfen Placebos laut einer Studie bei 59 Prozent der Patienten mit Magengeschwüren. Bei Depressionen sind Placebos fast genauso oft wirksam wie tatsächliche Psychopharmaka – nämlich jeweils in etwa einem Drittel der Fälle, wie der Studienautor berichtete.

Wirkung von Placebos lässt sich im Gehirn nachweisen

Forscher können sogar im Gehirn eine Wirkung von Placebos nachweisen – sie ist also nicht nur Einbildung. Allerdings haben Wissenschaftler noch keine schlüssige Erklärung. Sie vermuten, dass die Wirkung von der Lernerfahrung oder von der Erwartung der Patienten abhängt, nach dem Motto: Wenn man eine Pille nimmt, gehen die Schmerzen weg. Jütte sagte, neue Studien hätten sogar ergeben, dass Placebos nachweislich besser wirken, wenn der Arzt sie als teuer darstellt.

Wann dürfen Ärzte Placebos verabreichen?

In der Studie setzt sich Jütte ausführlich damit auseinander, ob der Einsatz von Scheinmedikamenten ethisch vertretbar ist. Dies gilt zum Beispiel nicht, wenn ein Mediziner seinem Patienten ein echtes Arzneimittel vorenthält und sich sein Zustand verschlechtert. Vertretbar sei der Einsatz, wenn es für den speziellen Fall keine geprüfte Pharmako-Therapie gebe, der Patient nur geringe Beschwerden habe und Aussicht auf Erfolg der Behandlung bestehe. Auch müsse der Arzt bei jeder Therapie – oder Scheintherapie – über mögliche Risiken aufklären. Placebos wirkten nach neueren Studien sogar, wenn die Patienten wüssten, dass kein Wirkstoff drin sei, sagte Jütte.

Placebos verbessern Wirkung und senken Kosten

Insgesamt kommt der Studienautor mit Blick auf die Wirkung von Placebos und auf die Nebenwirkungen echter Medikamente zu dem Schluss: "Mit dem Einsatz von Placebos lassen sich erwünschte Arzneimittelwirkungen maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten verringern und Kosten im Gesundheitswesen sparen." Auch Christoph Fuchs, früherer Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer meinte: "Placebos wirken stärker und sehr viel komplexer als bisher angenommen. Ihr Einsatz ist von enormer Bedeutung für die ärztliche Praxis."

Auf eine Aufklärung des Patienten über Nutzen und Risiken dürfe zudem nicht verzichtet werden, betonte Jütte.

Auch offen verabreichte Placebos können helfen

Eine Studie des Forscherteams um Cosima Locher unterstützt die Aussage von Thomas Jütte. Die Wissenschaftler der Universität Basel bestätigte, dass der Glaube zusätzlich zur Einnahme von Placebos die Genesung unterstützen kann. Die falschen Pillen sollen laut Wissenschaftlern auch dann wirken, wenn die Patienten wissen, dass sie nur ein Scheinpräparat einnehmen. Die Wirkung setzte jedoch nur ein, wenn die Patienten vorher über den Placebo-Effekt aufgeklärt wurden.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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